Methodik von Kieselalgenuntersuchungen

Analog zu allen biologischen Untersuchungen ist auch die Methodik von Kieselalgenuntersuchungen immer von der Intention des Bearbeiters abhängig. Diese können auf Lebendbeobachtungen, die Erfassung eines vollständigen Florenspektrums oder aber auf spezifische Fragestellungen wie z.B. eine Trophiebewertung gerichtet sein. Je nach Intention, sind die Anforderungen an die Methodik mitunter sehr unterschiedlich. In diesem Zusammenhang ist es nicht das Ziel von DIATOM V1, den Ansprüchen eines vollständigen methodischen Handbuches zu entsprechen. Vielmehr sind die nachfolgenden Anmerkungen als Kurzinformationen ohne Anspruch auf Vollständigkeit zu verstehen. Genauere Angaben zur Methodik sind in jedem Fall der weiterführenden Literatur zu entnehmen.

Daneben sind in allen Bereichen der professionellen Untersuchung von Kieselagen die gültigen DIN und CEN-Normen zu berücksichtigen. Informationen hierzu finden sich sowohl im Internet wie auch bei den nationalen Normierungsstellen.

Probenahme im Rahmen von Monitoringprogrammen

Generell werden durch Kieselalgen nahezu alle Kompartimente aquatischer Systeme besiedelt. Hieraus resultiert eine Vielzahl von möglichen Substraten, die bei der Analyse von Kieselalgengesellschaften berücksichtigt werden könnten. Das Vorhandensein von verschiedensten Mikrohabitaten bzw. -klimata führt jedoch zur Ausbildung von unterschiedlichen Algengesellschaften, die nur bedingt mit der Wasserqualität bzw. dem Säureregime in der fließenden Welle korreliert sind. Daher ist eine weitgehende Standardisierung der Probenahme essentiell für den erfolgreichen Einsatz von Indikationsverfahren, die auf Diatomeen basieren.

In diesem Zusammenhang bestehen gute Erfahrungen mit der Verwendung von strömungsexponierten Steinen sowie dem Einsatz von künstlichen Aufwuchssubstraten als Referenzsubstrat. In beiden Fällen wird eine möglichst große Annäherung an die Verhältnisse der fließenden Welle erreicht. Weiterhin ergaben vergleichende Untersuchungen zwischen den beiden Substrattypen weitgehende Übereinstimmungen in der Zusammensetzung der Diatomeenbesiedlung. Der Vorteil von künstlichen Aufwuchsträgern liegt eindeutig in der klaren zeitlichen Zuordnungsmöglichkeit der beprobten Algengesellschaften sowie im hohen Reinheitsgrad des gewonnenen Materials. Zudem wird die Wahrscheinlichkeit des Vorhandenseins von „Schalenfriedhöfen“ (Ansammlungen bereits abgestorbener Diatomeenzellen) drastisch reduziert. Als künstliche Aufwuchssubstrate sind prinzipiell sehr viele Materialien geeignet. Zu nennen sind hier insbesondere Glas, Kunststoff und Steine bzw. mineralische Substrate. Die Expositionsdauer sollte zwischen 4 und 6 Wochen liegen, um das Heranwachsen möglichst „reifer“ Algengesellschaften zu gewährleisten. Beprobt werden ausschließlich die Oberseiten der Substrate, indem der Aufwuchs vollständig mittels einer Rasierklinge oder eines Skalpells abgeschabt wird. Das so gewonnene Material wird in Sammelgefäße überführt (z.B. 40 ml Rollrandgläschen) und vor Ort fixiert. Zur Fixierung eignen sich prinzipiell nahezu alle üblichen Substanzen wie Formol und Alkohol. Daneben ist jedoch das Abtöten der Algen durch einen „Säureschock“ (starkes ansäuern durch z.B. Schwefelsäure) ebenfalls ausreichend.

Werden Steinsubstrate verwendet, so sollten diese weitestgehend strömungsexponiert ausgewählt werden. Weiterhin sollten ausschließlich die angeströmten Bereiche der Steinoberseiten berücksichtigt werden, um möglichst homogenes Material zu gewinnen und Störungen durch abweichende Mikrohabitate zu vermeiden. Für die Probenahme werden ca. fünf etwa faustgroße, gut bewachsene Steine ausgewählt. Der Aufwuchs dieser Steine wird mittels einer Zahnbürste (besser Gebissbürste) möglichst vollständig von den Steinen abgelöst. Es hat sich folgende Vorgehensweise bewährt: Die Steine werden in einer geringfügig mit Wasser (50-100 ml) gefüllten Schüssel kräftig abgebürstet und nahezu vollständig vom Aufwuchs befreit. Als Ergebnis erhält man eine konzentrierte Algen-Wasser-Suspension die in dem Schüsselchen noch einmal kräftig aufgeschüttelt und homogenisiert wird. Anschließend werden Teile der Suspension direkt in die Sammelgefäße überführt und auf diese Weise bereits von gröberen mineralischen Bestandteilen getrennt. Für die anschließende Fixierung gelten die bereits oben gemachten Aussagen. Zahnbürste und Schüssel sollten danach direkt intensiv ausgewaschen werden, um Verschleppungen von Material in andere Proben zu verhindern.

Materialaufbereitung

Im Gegensatz zur Probenahme ist die Aufbereitung des Diatomeenmaterials im Labor relativ aufwendig. Generell zielen alle Aufbereitungsverfahren auf die möglichst vollständige Entfernung (Oxidation) von organischen Bestandteilen aus dem Rohmaterial. Neben Glühverfahren kommen in der Routine dabei zumeist Oxidationsverfahren unter Verwendung starker Säuren bzw. Peroxid zum Einsatz. Eine detaillierte Zusammenstellung aller gebräuchlichen Methoden findet sich auch in der "Süßwasserflora von Mitteleuropa, Band 2/1". Vollständige Angaben zu diesem Werk finden sich in der Liste der Bestimmungsliteratur.

Die einfachste Methode ist die Aufbereitung des Materials auf „kaltem Weg“ unter Verwendung von konzentrierter Schwefelsäure. Hierbei ist darauf zu achten, dass das Material aus silikatischen Gewässern stammt, da Material aus carbonatreichen Gewässern zunächst noch mit Salzsäure vorbehandelt werden muss, um Gipsausfällungen zu vermeiden. Im Rahmen von Untersuchungen in kalkarmen Gewässern ist dieser Arbeitsgang jedoch unnötig. Generell sollten alle Arbeiten mit starken Säuren etc. unter Beachtung der normalen Sicherheitsbestimmungen unter einem Abzug oder zumindest in gut durchlüfteten Räumen durchgeführt werden. Weiterhin empfiehlt sich die Verwendung einer Gummischürze, um unnötige Schäden an der Arbeitskleidung zu vermeiden.

Zur Aufbereitung werden etwa 5-10 ml der konzentrierten Aufwuchslösung in 150 ml Bechergläser gegeben und mit 10-15 ml konzentrierter (technischer) Schwefelsäure übergossen. Anschließend wird die Probe gut durchgerührt, um eine optimale Verteilung der Säure zu erreichen. Nun werden einige ml konzentrierter Kaliumpermanganatlösung in die Bechergläser gegeben: Die Probenmasse wird heiß, sprudelt und verfärbt sich schwarz-violett. Nach erneutem Durchmischen wird je nach Bedarf zusätzliches Kaliumpermanganat zugegeben und wiederum durchmischt. Sollte kein weiteres „Aufbrausen“ der Probenmasse zu beobachten sein, wird nun tropfenweise eine gesättigte Oxalsäurelösung bis zur momentartigen Entfärbung zugegeben. Das Probenmaterial ist nun von allen organischen Bestandteilen befreit und die Diatomeenschalen liegen neben mineralischen Resten in reiner Form vor. Anschließend wird das Becherglas mit Aqua dest. vollständig aufgefüllt und die Säure durch wiederholtes Sedimentieren und Spülen mit Aqua dest. ausgewaschen. Um Verluste besonders der kleinschaligen Formen zu vermeiden, empfiehlt es sich, das Material jeweils über Nacht absedimentieren zu lassen und den nächsten Spülvorgang frühestens nach 8 Std. vorzunehmen.

Wenn die Lösung weitgehend neutral ist (pH > 6,0) wird das Material auf 10-20 ml eingeengt, in Sammlungsgefäße überführt und archiviert. Die Proben können in dieser Form nahezu unbegrenzt aufbewahrt werden. Um langfristig Pilzwachstum zu vermeiden, empfiehlt es sich, eine kleine Menge eines geeigneten Fixierungsmittels zuzugeben.

Alternativ zur Sedimentationsmethode können die Proben zum Auswaschen der Säure auch zentrifugiert werden. Allerdings zerbrechen hierbei häufig größere, langschalige und schwachverkieselte Formen, was die anschließende Determination der Proben erschwert.

Eine "Schnellmethode" zur Aufbereitung von sehr reinem Kieselalgenmaterial stellt das Abflammen auf einem Objektträger dar. Dies setzt voraus, dass die Kieselalgen in hochkonzentriertem Alkohol fixiert wurden. Ein Tropfen einer solchen Lösung kann auf einen Objektträger gebracht und entzündet werden. Anschließend sollte ein Deckgläschen zusammen mit einem Einbettungsmittel aufgebracht werden. Präparate, die auf diesem Weg erstellt wurden, eignen sich insbesondere für eine zeitnahe Überblicksbetrachtung von Kieselalgengesellschaften. Sie sind im Allgemeinen jedoch nicht von besonders hoher Qualität und für intensivere Untersuchungen weitgehend ungeeignet.

Determination und Auszählung

Zur lichtmikroskopischen Determination und Auszählung des aufbereiteten Diatomeenmaterials werden Dauerstreupräparate angefertigt. Die in der wässerigen Suspension enthaltenen Diatomeenschalen werden aufgeschüttelt, in eine Pasteurpipette aufgenommen und auf fettfreie Deckgläschen aufgetropft. Die Trübung der Auftropflösung sollte mit bloßem Auge schwach wahrnehmbar sein, wenn man die Pasteurpipette gegen das Licht hält. Liegt das Material in höheren Konzentrationen vor, so sind bei Bedarf Verdünnungen herzustellen und in der beschriebenen Weise aufzutropfen.

Bei normaler Raumtemperatur ist die Flüssigkeit auf den Deckgläschen nach etwa 8 Stunden restlos verdunstet. Der Vorgang kann durch die Verwendung von Wärmeplatten beschleunigt werden. Allerdings dürfen diese nicht zu sehr aufgeheizt sein (max. 40°C), um „Verklumpungen“ infolge zu schnellen verdunstens zu vermeiden. Anschließend werden die Deckgläser auf einen mit einem Tropfen Einbettungsmittel wie z.B. Naphrax (Brechungsindex 1,74) versehenen Objektträger aufgebracht und über kleiner Flamme oder einer Heizplatte erhitzt. Nach dem Entweichen des Lösungsmittels (Toluol, daher Abzug oder zumindest gut durchlüfteter Raum nötig!) und der damit verbundenen Aushärtung der Präparate können die Proben der lichtmikroskopischen Untersuchung zugeführt werden. Da Naphrax nicht immer leicht zu beziehen ist, können als Alternativen auch noch andere hochbrechende Medien wie z.B. Hyrax oder Pleurax empfohlen werden. Ein Präparat ist als gelungen zu bezeichnen, wenn in einem Blickfeld (Mikroskop, 1000fache Vergrößerung) zwischen 10 und 30 Schalen zu erkennen sind und keine Verklumpungen des Materials vorhanden sind.

Die Untersuchung der Streupräparate sowie die Determination der Arten erfolgt in der Regel bei 1000facher Vergrößerung unter dem Lichtmikroskop. Kontraststeigernde Verfahren wie Phasenkontrast oder DIC sind sinnvoll, jedoch nicht zwingend erforderlich. Von jedem Präparat wird eine halbquantitative, prozentuale Häufigkeitsstatistik angefertigt. Grundlage hierfür sollte die Zählung von wenigstens 400 Schalen (nicht Zellen!) sein. Die Zählung erfolgt in mehreren Blickfeldern über das gesamte Präparat. Gezählt werden nur Schalen, die komplett innerhalb des Blickfeldes liegen. Bruchstücke werden nur dann gezählt, wenn sie größer als die Hälfte der Schalenfläche sind.

Als Bestimmungsniveau ist nach Möglichkeit immer das Artniveau anzustreben. Gürtelbänder sollten ebenfalls nach Möglichkeit bis zur Art, mindestens jedoch bis zur Gattung bestimmt und nicht gesondert ausgezählt werden. Nicht determinierbare Schalen werden gesondert aufgeführt, gehen jedoch in das Zählergebnis mit ein. Für eindeutig differenzierbare, taxonomisch jedoch nicht klar zuzuordnende Formen können „Kunstnamen“ verwendet werden, die eine nachträgliche Präzisierung erlauben. Vorteilhaft ist weiterhin die Verwendung eines Mikroskops mit angeschlossener Fotoausrüstung. Auf diese Weise können kritische Formen direkt fotografisch dokumentiert und Abzüge der Bilder Spezialisten zur weiteren Bestimmung zugesandt werden. Weiterhin kann auf diesem Weg mittelfristig eine eigene Archivdatei als Bestimmungshilfe aufgebaut werden.